Katalog
Handzeichnungen des XV. bis XIX. Jahrhunderts. Klassische Meister der italienischen Hochrenaissance und des XVIII. Jahrhunderts in Venedig / aus dem Besitze eines gelehrten Sammlers
Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller
Kunstversteigerungshaus Weinmüller, München, Odeonsplatz 4, Leuchtenberg-Palais (Eingang Fürstenstraße)
- Auktionstage
- Donnerstag, 13. Oktober 1938Freitag, 14. Oktober 1938
Katalog weinmueller1938_10_13 Seite 045
Losnummer | Beschreibung | Details |
---|---|---|
0456 | FRANCOIS LEMOINE (LE MOYNE) 1688-1737 Paris Kompositionsskizze einer biblischen oder historischen Szene. Rückseitig Figurenskizze. K. auf grauem Papier. 27,5 : 42,5. | Details, 0456 |
0457 | [FRANCOIS LEMOINE (LE MOYNE) 1688-1737 Paris] Weiblicher Akt. R. u. K. auf blauem Papier. 25 : 18. | Details, 0457 |
0458 | LEONARDO DA VINCI Vinci 1452-1519 Cloux Merkwürdig aufgebaute Felslandschaft aus Basaltsäulen, darunter horizontale Schichtungen, aus denen sich Wasser ergießt. Spiegelung. In der Art der berühmten Rötelblätter im Windsor Castle. 27,5 : 20. Diese Rötelzeichnung, welche sich augenscheinlich an das berühmte Blatt mit dem Sturme über der Alpenlandschaft anschließt, welches Kenneth Clark in die Jahre zwischen 1502 und 1506 setzt (Schloß Windsor Nr. 12409) ist in all ihren Eigentümlichkeiten ein wichtiges Glied dieser Gruppe von Leonardo-Zeichnungen. Ursprünglich waren diese Zeichnungen auf größeren Bögen vereinigt, um in anschaulicher Weise die verschiedenen möglichen Formationen des Gebirges, der Wasserbewegung und ähnlicher Dinge zu zeigen. Unser Blatt ist die linke Hälfte eines einst größeren Bogens. Oben ist die originale Papierkante vorhanden. Die drei anderen Begrenzungen sind durch Schnitte entstanden. Der Teilungsstrich rechts zeigt, daß offenbar eine ähnliche Darstellung einst rechts davon saß. Verdoppelt ergibt es die genaue Größe eines der umfangreichsten Leonardo-Blätter in Windsor, des Baumes Nr. 12417. Im Detail sind die kleinen, perlenschnurartig aufgereihten Baumreihen überaus bezeichnend, welche ganz gleich auf der Nr. 12409 in Windsor vorkommen. Bezüglich der Provenienz des Blattes ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es bereits um 1560 aus dem Besitz des Melzi, des Erben des zeichnerischen Nachlasses, abgetrennt wurde, denn es zeigt noch nicht jene Nummerierung, welche kurz darauf Pompeo Leoni vornahm, die wir auf den Windsor-Blättern allenthalben finden. Möglicherweise ist Figino selbst der Besitzer gewesen, der ja in seinen Zeichnungen, deren viele in unserer Auktion vorkommen, unmittelbar vom Studium des Zeichnungsschatzes des Leonardo ausging. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, daß es Blätter sind, die zu jenen 179 Stück gehören, die im 18. Jahrhundert von den Windsor-Zeichnungen abgespalten wurden und deren Aufenthalt wir nicht mehr kennen. | Details, 0458 |
0459 | [LEONARDO DA VINCI Vinci 1452-1519 Cloux] Kopf eines jugendlichen Mannes mit reichgelocktem Haare und ebensolchem Bart im Dreiviertel-Profil nach rechts. K. auf grauem Papier. 24 : 17. Gehört zu dem Blatte 12553 der Windsor-Zeichnungen und ist in den Formen des Dargestellten deutlich verwandt; die vorgeschobene Unterlippe, das rundliche Ohr, die Haar- und Barttracht und dergleichen. Allerdings erscheinen beide Köpfe nicht im selben Ausmaße der Verallgemeinerung. Das Blatt 12553 ist stärker verallgemeinert, so daß gerade deshalb seine Einordnung und Datierung schwieriger ist. Andererseits ist es etwas präziser und auch etwas auswendiger gezeichnet, während unser Kopf eher noch den Anschluß an das Naturvorbild sucht. Die Reihe dieser stetig weiter verallgemeinernden Darstellungsweise Leonardos ist an dem Frauenkopf der Windsor-Zeichnungen abzulesen, der in etwa 16 Fällen durch die Reihe der Darstellungen endlich so abstrakt wird, daß er den Jünglingskopf Nr. 12554 in gänzlicher Umdeutung des Geschlechts darstellt. Bezeichnend für den Stil des Leonardo ist die eigentümlich starke Häufung der Spiralen in Haar und Bart. Aus der ursprünglichen Vorlage, in der vielleicht, wie Clark annimmt, ein Bildnis des Lucius Verus zu suchen ist, vielleicht vermischt mit der Erinnerung an Münzen des jugendlichen Nero, wurde ein neues Drittes. Die Lockenbildung, wie sie seit der Augustaeischen Periode an römischen Arbeiten üblich wurde, verband sich mit der eigentümlich starken Dynamik der Leonardesken Wasser- und Wolkenwirbel zu einem unpersönlichen Dritten, so daß es schwer wird, sich zu vergegenwärtigen, inwieweit sich hier die verschiedensten Regungen kreuzten. Antikes Vorbild hat Leonardos Denken mehr beeinflußt als man zunächst annehmen könnte. Wir glauben in dem Windsor-Material die Köpfe des Nerva, des Vespasian und vielleicht auch des Titus durchschimmern zu sehen. Sie unterscheiden sich deutlich von wirklichen Naturaufnahmen. Für die Provenienz des Kopfes gilt das gleiche wie für das vorige Blatt. Die Zuschreibung erfolgte erst als die Herstellung des Kataloges schon weitgehend fortgeschritten war. | Details, 0459 |